Wiederaufbau geht nur gemeinsam – Arbeitnehmer-Familien brauchen volle Leistungsabgeltung – Am System sparen zu wollen heißt Sparen am falschen Platz – Solidarbeitrag für alle, die es sich leisten können – Nachbessern beim Arbeitslosengeld – Höhere Einkommen für echte Leistungsträger, die Helden der Arbeit!
„Die Vorzeichen stehen zum 1. Mai 2020 so schlecht wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Wir müssen festhalten, dass wir aus einer Phase der Hochkonjunktur binnen kurzer Zeit in die schlimmste Rezession geschlittert sind. Die Gesundheitskrise darf nicht in eine tiefe soziale Krise münden“, sagt AK Präsident Erwin Zangerl. „Die kommenden Monate werden ein harter Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sein. Es steht zu befürchten, dass selbst bei anspringender Konjunktur dieses Gespenst nicht so rasch verschwinden wird. Mehr denn je brauchen wir eine solidarische Gesellschaft, die Rücksicht nimmt und aufeinander schaut, damit niemand zurückbleibt.“
„Die Regierung hat gemeinsam mit den Sozialpartnern richtige und wichtige Maßnahmen gesetzt, um den wirtschaftlichen Niedergang abzufedern. Wir müssen nur dranbleiben und dürfen nicht in unseren Bemühungen nachlassen, den sozialen Zusammenhalt in Krisenzeiten zu sichern. Das Wifo rechnet für das laufende Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von bis zu 7,5 Prozent,“ so der AK Präsident. „Die Arbeitslosenquote könnte gar auf knapp 10 Prozent steigen. Wenn man bedenkt, dass in Tirol jeder dritte Beschäftigte(!) derzeit von Arbeitslosigkeit oder von Kurzarbeit betroffen ist, kann man ermessen, wieviel weniger Geld den Menschen zur Verfügung steht und damit auch nicht in den Wirtschaftskreislauf gebracht werden kann.
Deshalb ist es ein Gebot der Stunde, die Arbeitslosenquote rasch zu reduzieren. Jedes Prozent mehr Beschäftigung ist ein Impuls für unsere Volkswirtschaft, für unsere Konjunktur und für unser Sozialsystem. Dafür benötigt es sinnvolle Maßnahmen zur Qualifizierung der Arbeitsuchenden. Wir brauchen Programme, um Arbeitslose, etwa aus dem Bereich Tourismus, in systemrelevante Branche wie Gesundheit und Pflege weiterqualifizieren zu können. Wir müssen auf die Generation 50+ schauen, die es gerade jetzt noch schwerer hat, beruflich wieder Fuß zu fassen. Und wir brauchen für junge Menschen Aufbaukurse und -lehrgänge, um die verlorenen Wochen in der Schule und Berufsschule in der Lehre und Ausbildung wieder aufzuholen. Hier könnten aber auch öffentliche Einrichtungen mit der Schaffung von Transitarbeitsplätzen einen wichtigen Impuls liefern.“
Wer zahlt die Zeche?
Zangerl: „Jetzt muss offen die Verteilungsfrage diskutiert werden. Damit meine ich eine Solidarabgabe für jene, die es sich leisten können. Diejenigen, die Millionen am Konto haben, müssen ihren Beitrag leisten. Diese Mittel sollten zu 100 Prozent in die Schuldentilgung und nicht ins Budget gehen. Dazu gehört auch, dass Gewinne börsennotierter Unternehmen als Solidarbeitrag befristet an den Staat geleistet werden. Staatshilfen für Unternehmen kann es wie nach deutschem Vorbild nur für jene Firmen geben, die ihre Steuern in Österreich zahlen und keine Boni und Dividenden verteilen.
Mehr Geld für die Helden der Arbeit
Die Corona-Krise sollte aber auch bewirken, dass Berufe im Gesundheits-, Pflege- und im Dienstleistungsbereich endlich die nötige Anerkennung erfahren. Aber nicht nur Anerkennung ist wichtig, höhere Gehälter wären weitaus wichtiger. Es ist bezeichnend, dass jetzt ausgerechnet Berufe mit prekären Einkommensverhältnissen wie etwa Pflegeberufe, 24-Stunden-Betreuerinnen, Erntehelfer, Lebensmittelverkäuferinnen, Lieferanten und LKW-Fahrer jene Leistungsträger sind, die das System in der Krise am Leben halten. Man wird eine Diskussion darüber führen müssen, welche Wertigkeit diese Berufe auch im Finanziellen künftig haben müssen. Wir werden mit dem ÖGB dafür kämpfen, dass diese Berufsgruppen endlich eine adäquate Entlohnung erhalten und in Zukunft anständig bezahlt werden.
Kurzarbeit hat eine Million Beschäftigte gerettet
Die Sozialpartner haben in einem Rekordtempo ein attraktives Kurzarbeitsmodell entwickelt. Denn Kurzarbeit ist weitaus sinnvoller und kommt für alle Teile günstiger als Kündigungen. Davon profitieren inzwischen mehr als 1 Million Beschäftigte in Österreich, fast 70.000 davon in Tirol. Leider haben allzu viele Unternehmen vorschnell ihre Mitarbeiter gekündigt. Dabei sollten Betriebe nachrechnen, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird. Kündigungen kommen die Arbeitgeber oft viel teurer als die Kurzarbeit. Denn in oft übereilten Kalkulationen bedenken sie zu wenig die Kosten durch den Verlust erfahrener Fachkräfte und eine erneute Personalsuche, wenn die Wirtschaft wieder anläuft. Würden das alle Firmen so sehen, würden sie den klaren Kostenvorteil der Kurzarbeit erkennen. Apropos nachrechnen: Beschäftigte, die wegen Corona gekündigt wurden, zu einer einvernehmlichen Auflösung „überredet“ wurden oder deren befristetes Dienstverhältnis vorzeitig beendet wurde, können in die AK kommen. Wir kümmern uns um ihre Rechte, berechnen die ihnen zustehenden Ansprüche, intervenieren, machen offene Forderungen geltend und geben ihnen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche Rechtsschutz, nötigenfalls auch vor Gericht.
Weitere Hilfe tut dringend Not
Damit die Gesundheitskrise nicht in eine soziale Krise mündet, haben wir auf Landesebene sofort reagiert und den Härtefall-Fonds für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingerichtet. 20 Millionen Euro – davon 2 Millionen von der AK Tirol – stehen bereit. Zusätzlich hat der Bund ebenfalls für Familien, die wegen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise von Arbeitslosigkeit betroffen sind, einen Härte-Fonds mit vorläufig 30 Millionen Euro eingerichtet. Auch hier sollte noch nachgebessert werden, um die erbrachten Leistungen der Arbeitnehmer-Familien in der Corona-Zeit halbwegs abzugelten. Die Regierung hat aber auch bekräftigt, dass es kein Abgleiten von der Arbeitslosen- in die Notstandshilfe geben wird. Demnach sollen die Arbeitslosen-Monate der Corona-Krise nicht auf jene Zeit angerechnet werden, nach der Arbeitslose nur noch die deutlich niedrigere Notstandshilfe erhalten.
Nachbessern beim Arbeitslosengeld
Doch es sollte in weiteren Bereichen dringend nachgeschärft werden: Etwa beim Arbeitslosengeld, das nur 55 Prozent der Netto-Ersatzrate ausmacht. Das bedeutet, Arbeitslosigkeit kann bis zur Hälfte des Monatseinkommens kosten. Für jene, die durch Corona unverschuldet die Arbeit verloren haben, ein existenzielles Fiasko. Denn die Fixkosten blieben ja bestehen. Hier muss dringend zumindest in der Corona-Zeit das Arbeitslosengeld erhöht werden, damit die Verluste für die Betroffenen nicht so dramatisch sind. Es fehlt aber auch eine existenzielle Absicherung für geringfügig Beschäftigte. Geringfügig Beschäftigte sind nicht in Kurzarbeit einbezogen und auch nicht in den Härtefallfonds. Sie haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Außerdem haben sie ohne Einkommen keinen ausreichenden Schutz in der Krankenversicherung. Es dürfen nicht diejenigen ausgeschlossen werden, die die Unterstützungsleistungen am Notwendigsten brauchen. Offen ist auch, wie man jenen Betroffenen helfen kann, die bereits vor Ausbruch der Krise arbeitslos waren und jetzt noch weniger einen Arbeitsplatz finden, weil die Wirtschaft auf ein Minimum zurückgefahren werden musste.
Sozialstaat zeigt seine Kraft und bietet Sicherheit
Ob in den Bereichen Krankheit, Pflege, Arbeitslosigkeit, Alterssicherung oder Bildung: Unser Sozialstaat hat bewiesen, wie wichtig er für uns alle ist. Auch jene, die im „System sparen“, sind eines Besseren belehrt worden. Zu hoffen bleibt, dass diese Krise für diese Gruppen eine Lehre ist. Corona hat uns klar vor Augen geführt, dass jeder von uns eine Notlage geraten kann. Umso wichtiger ist ein funktionierender Sozialstaat. Beim Bildungs- und Schulwesen, bei Pension, Krankheit, Pandemie oder Pflege, bei Arbeitslosigkeit oder Erwerbslosigkeit können wir dank der solidarischen Beiträge vor allem der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Fug und Recht behaupten, in einem der sozialsten und sichersten Länder der Welt zu leben. Globalisierung und Neoliberalismus haben bewiesen, wie anfällig Länder in Krisensituationen dadurch sind. Am System sparen zu wollen heißt Sparen am falschen Platz. Ich erinnere an geplante Spitalsschließungen, Kürzungen beim AMS, bei Mindestsicherung und Notstandshilfe, der Zentralisierung der Krankenkassen, AK Beitragskürzungen etc. Nachträglich gesehen, sind zum Glück viele dieser Maßnahmen nicht umgesetzt worden. Arbeiten wir gemeinsam daran, dass wir mit einem blauen Auge aus dieser Krise aussteigen und dass Regierung und Sozialpartner die nötigen Schlüsse und die richtigen Weichenstellungen setzen für die Arbeitnehmerschaft, für Wirtschaft und Industrie
Zangerl abschließend: „Die Sozialpartnerschaft ist und bleibt das Erfolgsmodell unserer Zweiten Republik und sie hat gerade in der Corona-Krise gezeigt, dass sie uns sozialen Frieden und Sicherheit auch in Notzeiten garantiert. Die Sozialpartnerschaft hat immer gemeinsam mit der Regierung wichtige Maßnahmen umgesetzt, damit es den Menschen in unserem Land seit nunmehr 75 Jahren stetig besser gegangen ist. Diesen Weg des Miteinander haben manche erst durch die Corona-Krise wieder eingeschlagen. Zu hoffen bleibt, dass sie diesen Weg nach Ende der Krise nicht wieder verlassen. Unser Land ist groß geworden, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer trotz aller Unterschiede immer zusammengearbeitet haben. Getragen stets von der Überlegung, was für die jeweils andere Seite auch zumutbar ist.“