Auch „Wunsch“ der Tiroler Arbeiterkammer – Experte sieht Veränderungen auf Arbeitsmarkt als Ursache für geringe Beteiligung in Tirol – Endergebnis der Tiroler AK-Wahl steht fest
Innsbruck/Wien (APA) – Der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstitutes SORA, Christoph Hofinger, tritt für die Prüfung der Möglichkeit von E-Voting bei künftigen Arbeiterkammerwahlen ein. Dies wäre „mittelfristig ein wichtiger Faktor“, um die Wahlbeteiligung bei AK-Wahlen wieder ansteigen zu lassen, sagte Hofinger am Dienstag bei einer Pressekonferenz anlässlich der Analyse der Tiroler AK-Wahl in Innsbruck.
Kurzfristige Effekte erwartete sich Hofinger zwar nicht, aber die Möglichkeit des Online-Urnengangs zusätzlich zu den traditionellen via Wahlkabine und Briefwahl (letztere ging bei der Tiroler AK-Wahl signifikant zurück) wäre ein Mittel, das wieder zu einer verstärkten Beteiligung an der Wahl der Arbeitnehmervertreter führen könnte. Zudem plädierte der Experte unter anderem für ein eigenes Unterrichtsfach „Politische Bildung“ bereits in der Unterstufe sowie die bessere Information von neuen Mitgliedern. Der Wunsch nach Online-Voting sei jedenfalls vorhanden, so Hofinger und erwähnte eine vor rund einem Jahr durchgeführte Umfrage unter Mitgliedern der Tiroler AK, in der sich 47 Prozent dafür ausgesprochen hatten.
Der Leiter des Wahlbüros in der Tiroler Arbeiterkammer, Georg Humer, stimmte mit Hofinger überein. Es wäre auch der „Wunsch“ der Tiroler AK, E-Voting künftig anzubieten. Humer wie Hofinger betonten allerdings auch, dass es dazu eine langjährige Vorbereitung brauche – sowohl in technischer als auch in kommunikativer Hinsicht. „Es muss eine geheime, unbeeinflusste Wahl gewährleistet sein. Das muss man rechtlich absichern. Da gilt es noch, einige Hürden zu überspringen“, so Humer, der auch auf die dann nötige Änderung der AK-Wahlordnung verwies. Zudem brauche es zuvor einige „Testläufe“.
Die mit 33,6 Prozent äußerst niedrige Wahlbeteiligung in Tirol (2014 waren es noch 41,4 Prozent) begründete SORA-Geschäftsführer Hofinger einerseits mit einigen allgemeingültigen Faktoren bzw. Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt: Immer mehr Mitglieder mit Migrationshintergrund sowie solchen im städtischen Bereich, weniger Betriebsräte, eine steigende Diversität, weniger fixe und dauerhafte Erwerbsverläufe und „Klassenidentitäten“.
Arbeiterkammerwahlen würden zudem zu den sogenannten „second order-elections“ gehören, also zu den „Kann-Wahlen“, während Nationalratswahlen oder Landtagswahlen noch stärker „Muss-Wahlen“ seien. Und es handle sich auch um eine Generationenfrage: Bei Nationalratswahlen etwa sei auch noch stärker die ältere Generation vertreten, die ein ausgeprägteres „Wahlpflichtgefühl“ habe. „Bei AK-Wahlen ist hingegen das Wahlpflichtgefühl im Schwinden, und das Wahlrechtgefühl stärker ausgeprägt“, analysierte Hofinger.
Dass so viele Arbeitnehmer nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, habe auch großteils nichts mit Unzufriedenheit mit der Kammer zu tun. „Bei Mitgliederwahlen bleiben auch die Zufriedenen daheim. Unsere Umfragen zeigen, dass die Akzeptanz der Kammer bei den Mitgliedern extrem hoch ist. Egal ob sie wählen waren oder nicht“.
Dass in Vorarlberg und Salzburg im Gegensatz zu Tirol die Wahlbeteiligung nicht so stark gesunken ist bzw. sogar teilweise zunahm, verwunderte den Meinungsforscher nicht. Tirol habe bisher eine überdurchschnittliche Wahlbeteiligung aufgewiesen, nun habe sich diese eben „ungefähr auf demselben Niveau“ wie in den Nachbarbundesländern eingependelt.
Dass alle wahlwerbende Gruppen bis auf die FPÖ massiv gegen die türkis-blaue Bundesregierung kampagnisierten – und es trotzdem nicht zu einer verstärkten Mobilisierung reichte, begründete Hofinger folgendermaßen: „Aufregerthemen wie der 12-Stunden-Tag sind schon wieder eine Zeit her. Zuletzt waren wiederum Themen in Diskussion, die keine starke Polarisierung und Emotionalisierung zur Folge hatten“. Zudem sende Türkis-Blau – anders als damals Schwarz-Blau unter Wolfgang Schüssel – andere, heißt weniger polarisierende, Signale an die Arbeitnehmerschaft. Überdies habe sich gerade die Tatsache, dass die meisten wahlwerbenden Listen dieselbe Position zur Bundesregierung einnahmen, negativ auf die Mobilisierung ausgewirkt. „Man war der Meinung: ‚Die AK ist eh kritisch'“, erklärte Hofinger, der eine genaue Nachwahlanalyse der Tiroler AK-Wahl in den kommenden Monaten ankündigte.
Indes wurde am Dienstag auch das endgültige Endergebnis der Tiroler Arbeiterkammer bekanntgegeben. Dieses wich fast überhaupt nicht vom bisher bekannten vorläufigen ab. Die Liste des schwarzen Präsidenten Erwin Zangerl, AAB-FCG, blieb bei 61,4 Prozent der Stimmen (2014: 63,95) und hält nunmehr 45 der 70 Kammerratsmandate (minus zwei). Hinter Zangerl auf dem zweiten Platz landete die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), die mit Spitzenkandidat Stephan Bertel 19,7 Prozent der Stimmen erzielte und ein Mandat auf 14 dazugewinnen konnte (2014: 18,5 Prozent).
Auf dem dritten Platz kamen die unter der Parteibezeichnung FPÖ angetretenen Freiheitlichen mit 8,6 Prozent und sechs Mandaten (plus 2,8 Prozent). 2014 waren die blauen Arbeitnehmervertreter noch als „Freiheitliche Arbeitnehmer“ angetreten. Damals erreichten sie vier Mandate. Die Grünen erreichten 7,1 Prozent und büßten somit ein Mandat ein (2014: 8,04 Prozent, fünf Mandate). Sie verlieren damit auch ihren Sitz im Vorstand. Dieser wandert zur FPÖ. Die Kleinparteien, „Kommunistische Gewerkschaftsinitiative“ (1,1 Prozent), „Soli-Tirol“ (0,8 Prozent) und die „Gewerkschaftliche Linke“ (1,3 Prozent), schafften allesamt den Einzug nicht. Keine Änderung zum vorläufigen Gesamtergebnis erfuhr auch die Wahlbeteiligung: Sie blieb bei 33,6 Prozent.