Corona im Alltag: Was passiert, wenn das Kind nicht in die Schule gehen kann, weil die Corona-Pandemie das verhindert? Was ist beim Pflegefreistellungsanspruch zu beachten, was, wenn das Kind öfter krank wird? Wie sieht es mit der Sonderbetreuungszeit aus und kann man die Pflegefreistellung auch stückeln? Der Leiter der AK Arbeitsrechtsabteilung Dr. Thomas Radner gibt Auskunft.
Seit einigen Wochen gehen die Kinder wieder zur Schule oder in den Kindergarten und gleichzeitig steigen die COVID-19-Infektionszahlen. Wie sieht es arbeitsrechtlich für Eltern von Kindern aus, die wegen COVID-19 nicht zur Schule gehen können, aber daheim betreut werden müssen?
Arbeitsrechtlich müssen zwei Situationen voneinander unterschieden werden, da die arbeitsrechtlichen Ansprüche von Eltern unterschiedlich geregelt sind: Erstens das Kind ist erkrankt und muss deswegen zu Hause bleiben oder zweitens die Schule oder der Kindergarten ist ganz oder teilweise geschlossen und die Kinder müssen von einem Elternteil zu Hause betreut werden.
PFLEGEFREISTELLUNG
Beginnen wir mit der ersten Konstellation, das Kind ist erkrankt. Wie sieht es arbeitsrechtlich für die Eltern aus?
Wenn das erkrankte Kind betreut werden muss, steht ein bezahlter Anspruch auf Pflegefreistellung zu und zwar im Ausmaß einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit pro Arbeitsjahr. Allgemein heißt es oft: „Eine Woche pro Jahr“, aber das ist insofern nicht ganz richtig, als es auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ankommt und daher regelmäßig geleistete Mehr- und Überstunden dazu gerechnet werden müssen.
Was hat ein Arbeitnehmer beim bezahlten Pflegefreistellungsanspruch jedenfalls zu beachten?
Wichtig ist die unverzügliche Information des Arbeitgebers, dass man die Pflegefreistellung für die Betreuung des erkrankten Kindes benötigt und daher zu Hause bleiben muss. Auf Verlangen des Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer den Nachweis für die Notwendigkeit der Pflegefreistellung erbringen, verlangt der Arbeitgeber zum Beispiel ein ärztliches Attest, muss er die dabei anfallenden Kosten tragen.
Benötigt es für diesen Anspruch einen gemeinsamen Haushalt mit dem Kind und muss es sich um das eigene Kind handeln?
Beides kann grundsätzlich mit Nein beantwortet werden. Für die eigenen Kinder besteht der Anspruch auch dann, falls man mit ihnen nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Und dieser Anspruch steht auch für die Kinder des anderen Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten zu, falls man mit diesen im gemeinsamen Haushalt wohnt.
Dieser Anspruch berechnet sich „pro Arbeitsjahr“. Das Arbeitsjahr beginnt immer mit dem jeweiligen Eintrittsdatum in das Arbeitsverhältnis. Falls jemand beispielsweise am 1. März 2019 mit seiner Arbeit begonnen hat, dann dauert das Arbeitsjahr vom 1. März 2019 bis zum 29. Februar 2020. Ab dem 1. März 2020 hat man wieder Anspruch auf Pflegefreistellung für eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit.
Und falls man die Pflegefreistellung im vorherigen Arbeitsjahr gar nicht in Anspruch genommen hat?
Dann bleibt es trotzdem bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit pro Arbeitsjahr. Anders als beim Urlaub kann dieser bezahlte Freistellungsanspruch nicht in ein neues Arbeitsjahr übertragen werden.
Nun werden gerade Kinder öfters krank, bleibt es dann bei einer Woche pro Arbeitsjahr auch bei mehreren Erkrankungen?
Nein. Bei einer neuerlichen Erkrankung eines unter 12-jährigen Kindes steht ein zweiter bezahlter Freistellungsanspruch für den gleichen Zeitraum zu – also wiederum für eine regelmäßige wöchentliche Normalarbeitszeit. Bei einer zweiten Erkrankung des Kindes verbraucht man zunächst einen noch offenen Anspruch aus der Ersterkrankung, falls diese weniger lang als eine Woche gedauert hat. Pro Erkrankungsfall steht aber für einen Elternteil die Freistellung bis maximal eine Woche zu. Das bedeutet, dass zum Beispiel bei einer 5-Tage-Woche und einer 10-tägigen Zweiterkrankung des Kindes nicht die noch offenen drei Tage aus der Ersterkrankung genommen werden können, sondern eben nur 5 Tage zustehen.
Bei der letzten Antwort hieß es: Pro Anlassfall maximal eine Woche pro Elternteil. Dürfen sich die Eltern für die Betreuung des Kindes abtauschen?
Falls beide Eltern berufstätig sind, ja, und zwar in jeglicher Hinsicht: Die Eltern können die Pflegefreistellung nacheinander in Anspruch nehmen und damit insgesamt zwei Wochen pro Anlassfall abdecken. Sie können sich aber auch während eines Krankheitsfalles abwechselnd um das Kind kümmern. Das Höchstgericht hat entschieden, dass den Eltern ein freies Wahlrecht zusteht, wer sich von beiden um das Kind kümmert. Es wäre daher zum Beispiel auch möglich, dass der Vater das Kind am Vormittag und die Mutter am Nachmittag betreut. Der Arbeitgeber hat diesbezüglich kein Mitspracherecht.
Der eine Elternteil kümmert sich vormittags, der andere Elternteil nachmittags: Kann man die Pflegefreistellung auch stückeln?
Ja, eine Pflegefreistellung kann in einem, also eine ganze Woche, aber auch nur tageweise oder auch nur stundenweise in Anspruch genommen werden. Aus diesem Grund ist ja die Bezugnahme auf eine „regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit“ und damit unter Berücksichtigung der regelmäßig geleisteten Mehr- und Überstunden für das Ausmaß dieses Anspruches so wichtig.
Und wenn nun eine Erkrankung eines Kindes länger andauert als die bezahlten Freistellungansprüche der Eltern?‘
Für diesen Fall sieht das Gesetz für die notwendige Betreuung unter 12-jähriger Kinder die Möglichkeit eines einseitigen Urlaubsantritts des Elternteils als Ausnahme vom allgemeinen Urlaubsrecht vor. Ein noch offener Resturlaub kann verbraucht werden, es bedarf dazu einer bloßen Mitteilung an den Arbeitgeber, aber nicht wie sonst beim Urlaub seiner Zustimmung. Schließlich hat der Gesetzgeber für die Dauer der COVID-Krise die Möglichkeit eröffnet, die sogenannte Sonderbetreuungszeit auch für die notwendige Betreuung von erkrankten Kindern bis zum 14. Geburtstag für einen Zeitraum bis maximal 3 Wochen mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren.
Diese Sonderbetreuungszeit wurde zunächst für den Fall von behördlichen Schul- und Kindergartenschließungen geschaffen und dann im Sommer dieses Jahres auch auf Erkrankungsfälle erweitert.
WICHTIGER PERSÖNLICHER VERHINDERUNGSGRUND
Zur zweiten Möglichkeit einer Betreuungsnotwendigkeit für Eltern, nämlich falls Schulen oder Kindergärten wegen COVID-19 ganz oder teilweise geschlossen werden: Wie sieht es dann arbeitsrechtlich aus?
Falls Eltern ihre Kinder betreuen müssen, weil Schulen oder Kindergärten ganz oder teilweise geschlossen sind, liegt ein so genannter „wichtiger persönlicher Verhinderungsgrund“ vor, aufgrund dessen einem Elternteil eine bezahlte Dienstfreistellung zusteht, falls für das Kind keine anderweitige Betreuung zur Verfügung steht. Auch in diesem Fall ist es unbedingt erforderlich, dass der Arbeitgeber unverzüglich davon verständigt wird.
Und für wie lange steht diese bezahlte Freistellung zu?
Im Gesetz heißt es nur: „für eine verhältnismäßig kurze Zeit“. Einig sind sich die Arbeitsrechtler, dass damit ein Anspruch auf Entgeltzahlung bis zu einer Woche pro Anlassfall zusteht. Manche Arbeitsrechtler vertreten die Auffassung, dass es in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen bis zu zwei Wochen sein können. Eine höchstgerichtliche Entscheidung gerade für den Fall einer Schulschließung aufgrund einer Pandemie gibt es noch nicht, aber über den Zeitraum von bis zu einer Woche sind sich alle Arbeitsrechtler einig.
Ist es möglich, dass sich die Eltern diesen Anspruch aufteilen?
Ja, zwei berufstätige Elternteile können nacheinander diese bezahlte Freistellung in Anspruch nehmen.
SONDERBETREUUNGSZEIT
Und falls die Schließung des Kindergartens oder der Schule länger andauert?
Für diesen Fall – also behördliche Schließung von Schulen und Kindergärten und Nichtbestehen eines Anspruchs auf Dienstfreistellung – hat der Gesetzgeber während der COVID-Krise die so genannte Sonderbetreuungszeit geschaffen. Dabei handelt es sich eigentlich um die Vereinbarung von bezahltem Sonderurlaub zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wobei der Arbeitgeber seit dem 1. Oktober 2020 die Hälfte der Lohnkosten bis zur Höchstbeitragsgrundlage von 5.370 Euro brutto vom Bund ersetzt bekommt (bis zum 1. Oktober 2020 wurde ihm ein Drittel ersetzt). Eine Sonderbetreuungszeit mit einem Rückerstattungsanspruch der Hälfte der Lohnkosten kann für einen Zeitraum von bis zu drei Wochen für die notwendige Betreuung von Kindern bis zum 14. Geburtstag vereinbart werden, falls ein Elternteil keinen Anspruch auf Dienstfreistellung zur Betreuung des Kindes hat.
Gibt es auch Regelungen für die Ferienzeit oder schulfreie Tage?
Seit dem 1. Oktober 2020 kann eine Sonderbetreuungszeit auch für Schulferien oder schulfrei erklärte Tage vereinbart werden.
Kann auch diese Sonderbetreuungszeit gestückelt und von beiden Elternteilen beansprucht werden?
Ja, die Sonderbetreuungszeit kann für Wochen, Tage oder Halbtage vereinbart werden, nicht aber für einzelne Stunden. Und beide Elternteile können nacheinander mit ihrem Arbeitgeber Sonderbetreuungszeit vereinbaren, nicht aber gleichzeitig.
Was muss man sonst noch bei der Sonderbetreuungszeit beachten?
Zunächst: Die Sonderbetreuungszeit muss immer mit dem Arbeitgeber vereinbart werden. Leider gibt es darauf für Eltern keinen Rechtsanspruch, wie von der Arbeiterkammer gefordert. Der Zeitraum der Sonderbetreuungszeit ist nicht auf Urlaubsansprüche oder Zeitausgleichsansprüche anzurechnen und diese Maßnahme gilt immer nur für einen befristeten Zeitraum, der vom Gesetzgeber Schritt für Schritt verlängert wurde. Die aktuelle Regelung gilt bis 28. Februar 2021.
Die Expertinnen und Experten der AK Arbeitsrechtsabteilung helfen und beraten unter 0800/22 55 22 – 1414.