Die COVID-19-Pandemie führt in Österreich nicht nur zur schweren Gesundheitskrise, sondern löst auch eine tiefe soziale und wirtschaftliche Krise aus. Das WIFO legte ein Konjunkturszenario vor, das für 2020 einen Rückgang des realen BIP um 2,5 %, der Beschäftigung um 1,1 %, einen Anstieg der Arbeitslosenquote auf 8,3 % der unselbständigen Erwerbspersonen und eine Verschlechterung des staatlichen Finanzierungssaldos auf – 5,5 % des BIP vorsah. Dieses Szenario gilt als sehr optimistisch. Noch problematischer als der Rückgang von Produktion und Einkommen im Allgemeinen ist die starke Konzentration der Einkommensverluste auf manche sozialen Gruppen:
In besonderem Ausmaß betroffen sind vor allem Arbeitslose, ArbeitnehmerInnen, Alleinerziehe- rinnen und Familien.
Sie erleiden unmittelbar große Einkommensverluste und ihre Chancen auf ein entsprechendes Einkommen sind auch langfristig beeinträchtigt.
In ganz Europa reagieren die Staaten mit vielfältigen Instrumenten zur Stabilisierung des Gesundheitssystems und zur Abfederung der Wirkungen der Krise auf Beschäftigte und Betriebe. Europäische Institutionen und Mitgliedsstaaten handeln pragmatisch und flexibel, entwickeln vorhandene wirtschaftspolitische Instrumente weiter und erfinden neue. Das gilt auch für Österreich, wo die Weichen im Grundsatz richtiggestellt sind. Arbeiterkammer und ÖGB sind treibende Kräfte in der Krisenbekämpfung, schlagen Verbesserungen für die arbeitenden Menschen vor und kritisieren fehlende bzw. erst im Nachhinein gestellte Bedingungen für die Staatshilfen.
Entscheidend sind aber nicht nur die Maßnahmen in der unmittelbaren Gesundheits- und Wirtschaftskrise, sondern auch jene, die nach deren Abklingen gesetzt werden, um den Wohlstand, der in Österreich geschaffen wurde, zu bewahren und weiter zu entwickeln. Am wichtigsten ist in dieser Hinsicht wohl, die Zahl der registrierten Arbeitslosen noch im Jahr 2021 zumindest wieder auf das Niveau von 2019 zu drücken. Doch aus unserer Sicht ist viel mehr notwendig: Die Krise muss den Ausgangspunkt für einen sozioökologischen Umbau bilden, der Sicherung und Ausbau des Sozialstaates, gerechte Verteilung – auch der bezahlten und unbezahlten Arbeit – und ökologische Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellt, kurzum sich am Wohlstand der breiten Masse der Bevölkerung orientiert. Diese Krise bietet die beste Chance, neue Unterstützung für das soziale öffentliche Gesundheitssystem und den Sozialstaat im Allgemeinen zu gewinnen, die in dieser Krise wieder einmal gezeigt haben, wie wichtig es ist, den Zugang zu grundlegenden sozialen Leistungen für alle Bevölkerungsgruppen in hoher Qualität zu garantieren. Hier muss die Debatte offensiv geführt werden, vor allem auch gegenüber den SozialstaatsgegnerInnen und Vermögenden. Das notwendige offensive Investitionsprogramm bietet die Möglichkeit, die Arbeitslosigkeit zu senken, die Wirtschaft zu beleben, den Sozialstaat zu verbessern und den Kampf gegen die Klimakrise zu führen.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Gesundheits- und Wirtschaftskrise sowie die Wirkung der automatischen Stabilisatoren durch verminderte Staatseinnahmen stellen eine enorme Belastung des Staatshaushalts dar. Das Budgetdefizit liegt deutlich höher als in der Finanzkrise 2009, die Staatsschulden steigen wieder merklich. Auch die notwendige Stärkung des Sozialstaates und Klimainvestitionen nach der Krise werden Geld kosten. Außerordentlich hilfreich ist, dass die Zinssätze für Staatsanleihen negativ sind, was Zinsausgaben in Milliardenhöhe spart. Es ist wichtig, diesen Zinsvorteil für alle EU-Staaten zu sichern, auch im Interesse Österreichs. Trotz der niedrigen Zinsen besteht kein Spielraum für Steuergeschenke an mächtige Lobbys. Österreich hat es im internationalen Vergleich bislang gut geschafft, die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Krise abzufedern. Unser Erfolgsrezept ist der Sozialstaat. Er ist die beste Vorsorge und muss daher gestärkt und ausgebaut werden. Die Finanzierung des Sozialstaates erfolgt im Wesentlichen durch die ArbeitnehmerInnen bzw. über die Arbeitskosten und sollte auf eine breitere Basis gestellt werden. Aufrechterhaltung und Ausbau sozialer Infrastruktur und sozialer Leistungen bedingen ein höheres Steueraufkommen von MillionärInnen, MilliardärInnen und Großkonzernen.
Unsere sechs zentralen Maßnahmen zur Bewältigung der Krisenfolgen:
- Arbeitslose ohne Einkommensverluste vermitteln oder auf zukunftsfähige Berufe, insbesondere im Gesundheits- und Pflegewesen umschulen
- Maßnahmenpaket für Erhöhung der Krisenresilienz im Gesundheitswesen: Sichere Versorgung mit Medikamenten, Schutzausrüstung; Verbesserung der Arbeitsbedingungen (AZV), Ausbau KassenärztInnen-Stellen, Qualifikationspakt Hygiene
- Gesamtstaatliche Offensive zur Halbierung der Zahl der armutsgefährdeten Personen innerhalb von fünf Jahren durch umfassenden Maßnahmenmix: Investitionspaket zur möglichst raschen Senkung der Arbeitslosigkeit; Erhöhung Arbeitslosengeld/Notstandshilfe, leichterer Zugang zur Sozialhilfe, leichterer Zugang zum sozialen Wohnbau, Kindergrundsicherung
- Vorziehen von Investitionen gegen die Klimakrise (Öffentlicher Verkehr, Rad- und Fußverkehr, Sonnen- und Hitzeschutz, thermische Sanierung Gebäude, Raumplanung gegen Zersiedelung, Bodenverbrauch und für Anschluss an öffentlichen Verkehr)
- Solidarische Europapolitik: Gemeinsame Antworten zur Finanzierung der Gesundheits- und
Wiederaufbaukosten der Krise
- Höheres Steueraufkommen von MillionärInnen, MilliardärInnen und Großkonzernen: Vermögensabgabe mit progressivem Tarif ab 10 Mio. Euro Nettovermögen, befristete Anhebung der KESt auf Dividenden von 35 %, befristete Anhebung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer ab 1 Mio. Bruttojahreseinkommen auf 75 %; Gesamtkonzernbesteuerung samt Mindestgewinnsteuersatz auf europäischer Ebene (BEPS-Prozess im Rahmen der OECD)
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Resolution der 178. Vollversammlung der AK Tirol am 15. Mai 2020 Herausforderungen der Krise meistern
Arbeitslosigkeit bis 2021 auf Vorkrisenniveau 2019
Im März 2020 lag die Zahl der Arbeitslosen um fast 200.000 über jener des Vorjahres – das ist der stärkste Anstieg in der 2. Republik. Das WIFO erwartet in seinem sehr optimistischen Szenario einen Anstieg um 40.000 Arbeitslose im Jahresdurchschnitt. Die Arbeitslosen können nichts für die Krise, erleiden massive Einkommensverluste und eine Verschlechterung ihrer mittelfristigen Beschäftigungschancen. Die Erfahrungen bisheriger Rezessionen belegen, dass Arbeitslosigkeit, die einmal entstanden ist, sich leicht verfestigt und nur schwer wieder verringert werden kann. Eines der wichtigsten Ziele der Wirtschaftspolitik muss es sein, die Zahl der registrierten Arbeitslosen noch im Jahr 2021 zumindest wieder auf das Niveau des Jahres 2019 zu verringern (301.000), das bereits um rund 100.000 höher lag als vor der Finanzkrise 2008/09. Daran werden wir die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung messen. Die Stabilisierung der Beschäftigung verlangt neben der Kurzarbeit und den Hilfen für die Betriebe vor allem nach beschäftigungs- und qualifizierungs- politischen Maßnahmen für Gruppen, die es auf dem Arbeitsmarkt nicht so leicht haben.
Unser Plan:
- Zahl der registrierten Arbeitslosen noch bis 2021 zumindest wieder auf das Niveau von 2019 drücken und höhere Sockelarbeitslosigkeit bei älteren, gering qualifizierten und gesundheitlich beeinträchtigten AN vermeiden
- In Beschäftigung halten: Kurzarbeit anpassen und fortführen; Erfahrungen mit Kurzarbeit für Verkürzung der Arbeitszeit nutzen
- Für die Jungen den Start ermöglichen: Mittel für überbetriebliche Lehrwerkstätten aufstocken und raschen Ausbau der Studienplätze in Schulen, Fachhochschulen, Universitäten
- Langzeitarbeitslosen und Älteren wieder Perspektiven geben: „Chance 45“: 40.000 zusätzliche Arbeitsplätze für gemeinnützige Tätigkeiten (Kosten von 270 Mio. Euro) und Verpflichtung für krisenunterstützte Unternehmen, bei Wiedereinstellungen frühere (ältere) ArbeitnehmerInnen zu bevorzugen
- Konsum sichern und mehr Gerechtigkeit: Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe auf 70 % Nettoersatzrate: 0,8 bis 1,2 Mrd. Euro für 2020; Einkommens- und Berufsschutz ausweiten
- Vermittlung von Arbeitslosen auf freie Jobs: 500 zusätzliche MitarbeiterInnen für das AMS für eine gute, den beruflichen Kenntnissen und Einkommenserwartungen der Arbeitslosen entsprechende Vermittlung (Kosten: 40 Mio. Euro)
- Corona-Weiterbildungsoffensive für Arbeitslose: Zeit nutzen, bis es wieder aufwärtsgeht. Recht auf berufliche Umschulung bzw. Höherqualifizierung, z.B. Arbeitsstiftungen, Fachkräftestipendium mit 100 Mio. Euro ermöglichen und unbefristet einsetzen, Schwerpunkt auf Pflege- und Gesundheits- berufe legen. Dies ist notwendig, da sich die Berufschancen durch die Krise unterschiedlich nach Branchen z.B. Tourismus verändert haben. +Beruflicher Neuanfang durch Qualifizierungsgeld: Bündelung des bisherigen Weiterbildungsangebots im neuen Qualifizierungsgeld mit zusätzlichen Mitteln von 360 Mio. Euro pro Jahr. Damit könnten 30.000 Personen eine ganzjährige Qualifizierung in Anspruch nehmen. Dies würde die berufliche Perspektive insbesondere für Frauen verbessern.
Mit dem Sozialstaat durch die und aus der Krise
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein funktionierender Sozialstaat ist: in der Krise und auch in jeder Phase des Lebens. Alle brauchen Zugang zu den Leistungen des Sozialstaates, alle müssen einen fairen, solidarischen Beitrag leisten. Der Sozialstaat erweist sich als verlässlicher Halt in unsicheren Zeiten, stabilisiert Einkommen und ermöglicht einen optimistischen Ausblick auf die Zukunft. Der breite Zugang zur Krankenversicherung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, Pandemien erfolgreich zu bekämpfen.
Österreich ist mit seinen hohen Sozialstandards ein sehr attraktiver Wirtschaftsstandort und guter Platz zum Leben. In der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 hat sich der Sozialstaat bereits be- währt, er wird uns auch jetzt wieder gute Dienste erweisen. Gerade in Zeiten der Veränderungen und Umbrüche brauchen die Menschen die Sicherheit, sozialen Ausgleich und Gerechtigkeit, die nur der Sozialstaat bietet.
Unser Plan:
- Pflege nachhaltig sichern: 20 % mehr Personal für Pflegeheime und Aufstockung der mobilen Dienste, Abschaffung der Selbstbehalte, Schließen des Lohnunterschieds zu Akutbereich: Kostenpunkt netto 600 Mio. Euro
- Gesundheit: aus Krise lernen, Handlungsfähigkeit sichern, Resilienz erhöhen. Ausfallshaftung des Bundes für Krankenversicherung bis 2022 (das betrifft Beitragsausfälle sowie Fusionskosten inklusive Leistungsharmonisierung), Paket zur Erhöhung der Krisenresilienz (Arbeitszeitverkürzung, sichere Versorgung mit Medikamenten, Schutzausrüstung, Reservekapazitäten, Produktionsmöglichkeiten, Resilienz von Wertschöpfungsketten, Reshoring, …).
- Anstehende Reformen im Gesundheitssektor umsetzen: z.B. Nachbesetzung und Ausbau der KassenärztInnen-Stellen, Arzneimittelbeschaffung aus einer Hand (Krankenhäuser, Sozialversicherung).
- Qualifikationspakt Hygiene: In der Krise zeigte sich, dass es gerade im schlecht bezahlten Bereich der Reinigung zentrale Aufgaben zur Seuchenbekämpfung gibt. Ausbildung und Bezahlung müssen verbessert werden.
- Schuloffensive: Chancen-Index für die Volksschule und Mittelschule (300 Mio. Euro p.a.). Flächendeckender Ausbau von qualitätsvollen Ganztagsschulplätzen und Nachmittagsbetreuungsplätzen und wirksame Deutschförderung.
- Betreuungspaket für eine gute Zukunft der Kinder und Unterstützung der Eltern: Erhöhung der Investitionen in Kinderbildung für 30.000 neue Plätze, 2. kostenloses Kindergartenjahr, Angebot von flächendeckender ganzjähriger und ganztägiger Betreuung, eine zusätzliche Fachkraft pro Gruppe, Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungsplatz ab 1. Geburtstag; Mehr- kosten in Höhe von 280 Mio. (nur für Akutmaßnahmen) bis 1,2 Mrd., damit Österreich dem Ziel gerecht wird, 1 % des BIP für Investitionen in die Elementar- und Kinderbildung bereitzustellen
- Halbierung der Zahl der Armutsgefährdeten: Hier ist ein breiter Maßnahmenmix erforderlich. Investitionspaket zur Reduktion der Zahl der Arbeitslosen; rasche Umsetzung von 1.700 Euro Mindestlohn; Anhebung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe; Ausweitung des „Auffangnetzes“ der Sozialhilfe durch befristete Aussetzung der Vermögensprüfung, armutsvermeidende Mindeststandards etc.; Kindergrundsicherung: höhere Sätze für Kinder sowie Sachleistungen wie kostenloses Essen im Kindergarten oder Gratis-Schulmaterial.
- Frauenförderung und Gewaltschutz: Es fehlt die im Regierungsprogramm versprochene substanzielle Aufstockung des Budgets. Allein für den Gewaltschutz sind 200 Mio. Euro pro Jahr erforderlich.
- Kaufkraft im Alter erhalten: Pensionen sichern und keine Verschlechterungen im Pensionssystem vornehmen; angemessene Absicherung für durch schwere Arbeit gesundheitlich beeinträchtigte Menschen.
Öffentliche Investitionen mit Doppelnutzen
Angesichts des schweren Konjunktureinbruchs infolge der Corona-Pandemie bringen Investitionen in Sozialstaat, Klimaschutz, Wohnbau und Digitalisierung einen doppelten Vorteil. Bereits im Sommer 2019 wurde ein entsprechendes Klima-Investitionspaket vorgeschlagen: In den nächsten zehn Jahren soll die öffentliche Hand 1 Mrd. Euro pro Jahr zusätzlich klimawirksam investieren. Kommunikationsnetze spielten eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der Krise. Eine sichere und verlässliche Infrastruktur ist dazu notwendig. Der weitere Ausbau erhöht diese Sicherheit auch für die Zukunft und schafft gleichzeitig die Grundlage für eine weitere (krisensichere) Digitalisierung von Unternehmen, aber auch öffentliche Einrichtungen wie Bildungseinrichtungen.
Unser Plan:
- Öffentlichen Verkehr massiv ausbauen
- Projekte beschleunigen: Investitionen in Schieneninfrastruktur vorziehen statt verschieben; „1-2-3-Ticket“ noch 2021 umsetzen; Nah- und Regionalverkehrsmilliarde für ein flächendeckendes, regelmäßiges Angebot.
- Keine Kürzung bei geplanter Förderung von Rad- und Fußverkehrsprojekten
- Förderung der Umrüstung des öffentlichen Busverkehrs auf nicht-fossile Antriebe
- Vorschläge zur Finanzierung: Mittel aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds auch für Eisenbahnen und ÖV-Unternehmen. Flächendeckende Lkw-Maut und Verkehrsanschlussabgabe (Mittel für ÖV in den Gemeinden)
- Energieeffizienz, Raumplanung und Gebäudesanierung – Evaluierung der Kosteneffizienz thermischer Sanierungsförderung sowie Verpflichtung zu besonders kosteneffizienten Maßnahmen sowohl im Wohnbau als auch in betrieblichen Gebäuden. – Förderung des Sonnen- und Hitzeschutzes.
– Austausch fossiler Heizungssysteme (soziale Staffelung/Förderung bis 100 %
bei niedrigen Einkommen). – Verdichtung Fernwärme und -kälte erfordert Fördermittel für den Ausbau
von Fernwärme- und -kälteleitungen in voller Höhe (60 Mio. Euro/Jahr). – Ausrichtung der Raumplanung auf geringere Zersiedlung, höhere Verkehrseffizienz
und geringeren Bodenverbrauch.
- Erneuerbare Energiegewinnung und Energienetze – Rascher Ausbau erneuerbarer Energien bedingt zügige Umsetzung
des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG). – Finanzierung des 1-Mio.-Photovoltaik-Dächer-Programms zusätzlich
auch aus öffentlichen Mitteln. – EU-Fördertöpfe für den Ausbau erneuerbarer Energien im ländlichen Raum
für alle BewohnerInnnen öffnen. – Aufstockung der Mittel für die Energieforschung (zusätzlich 20 Mio. Euro/Jahr).
- Wohnen darf kein Luxus sein – Das Angebot an neuen, leistbaren Wohnungen muss erhöht werden.
Das funktioniert nur über mehr geförderten Wohnbau. – Mietenbegrenzungen und Anwendung der Richtwertmieten,
bei denen die Zuschläge aber klar zu begrenzen sind, ausweiten. – Maßnahmen gegen jede Form der Grundstücksspekulation und mehr rechtliche
Möglichkeiten für aktive Bodenpolitik schaffen, damit für den geförderten Wohnbau wieder Grundstücke zur Verfügung stehen. – mehr Wohnsicherheit: Abschaffung befristeter Mietverträge, außer bei Eigenbedarf
des Vermieters für sich und seine Familie.
- Digitalisierung für alle – Breitbandinvestitionen vorantreiben: Weitere Impulse bei Fördermaßnahmen
(„Breitbandmilliarde“). Einnahmen aus der Frequenzversteigerung dafür zweckgebunden. – Digitalisierungsoffensive in Bildungseinrichtungen starten: Zusätzliche Mittel für Digitalisierung und Ausstattungen in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen bereitstellen und digitale Bildungsangebote ausbauen. – Förderungen der Weiterbildungsmöglichkeiten für ArbeitnehmerInnen – Digitalisierungsimpulse der Krise für die Zukunft nutzen: Zielgerichtete Unterstützung
von Kleinst- und Kleinunternehmen beim Aufbau von „digitalen Standbeinen“ – Ausdehnung der Open-Source-Nutzung von den Unis bis hin zu den Schulen
(Moodle, Jitsy, Bluebutton)
Solidarisches Europa
Die COVID-19-Pandemie trifft Gesundheitssystem und Wirtschaft in allen EU-Ländern. Viren ken- nen keine Grenzen – deshalb ist es wichtig, solidarisch und gemeinsam gegen die Krise und ihre Folgen zu arbeiten. Dies auch deshalb, weil es zu verhindern gilt, dass aus der Gesundheits- und Wirtschaftskrise eine Finanz- und Eurokrise wird. Pragmatisches Handeln bei Stabilisierungs-, Fi- nanzierungs- und Investitionsmaßnahmen auf EU-Ebene ist dringlich, auch im sozialen und wirt- schaftlichen Interesse Österreichs. Die Einigung auf ein EU- Maßnahmenpaket aus ESM, EIB und SURE ist ein begrüßenswerter erster Schritt, auch wenn er in Relation zu den absehbaren Kosten des Wiederaufbaus der europäischen Wirtschaft eher klein erscheint. Die Europäische Zentralbank hat mit ihrem 750 Mrd. Euro schweren Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) rasch ein wichtiges Instrument zur Stabilisierung von Wirtschaft und Finanzmärkten bereitgestellt.
Unser Plan:
- EZB und nationale Aufsichtsbehörden haben zu Recht die Eigenkapitalanforderungen für Banken gelockert. Sollte es dennoch zu einer neuerlichen Bankenkrise kommen, so müsste die Rekapitalisierung unter strengen Auflagen (Beschränkung von Boni und Dividendenzahlungen; Beteiligung am Eigenkapital) mit EU-Mitteln erfolgen.
- Eine primär nationalstaatliche Finanzierung der Maßnahmen zur Ausstattung des Gesundheits systems, der sozialen und wirtschaftlichen Stabilisierungsmaßnahmen und der für die wirtschaftliche Erholung notwendigen Investitionen ist ungenügend und gefährlich. Deshalb sind gemeinsame Antworten auf EU-Ebene erforderlich.
- Der Europäische Stabilitätsmechanismus soll ausgeweitet und flexibilisiert werden. Besonders wichtig ist, dass er nicht an Austeritätsvorgaben, die in der letzten Krise für die Schrumpfungen im Gesundheitssektor mitverantwortlich waren, geknüpft wird (ESM-light).
- Streichung fundamentaler, neoliberaler Festlegungen aus dem EU-Primärrecht (u.a. primäre Orientierung der Wirtschaftspolitik auf Preisstabilität, Verbot solidarischer Haftung und monetärer Staatsfinanzierung, Festlegung auf eine eingriffsfreie und globalisierte offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb – alles aktuell rechtlich festgezurrt in den Art 113 – 125 AEUV).
- Die SURE-Initiative der EU-Kommission zur Finanzierung der Kurzarbeitskosten soll ebenso wie die Etablierung von hohen Mindeststandards in der Arbeitslosenversicherung rasch umgesetzt werden.
- Das EU-Budget (2021-2027) muss ambitioniert zukunftsorientierte Investitionen in den Mittelpunkt stellen: Weniger Agrar- und Rüstungsinvestitionen; mehr Förderung der beruflichen Neuorientierung von Beschäftigten in klimafitte Berufe, aktive Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut, Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen. Die umfang- reichen Investitionen im Rahmen des Green Deals und eine Förderung der sozial-ökologischen Transformation sind zeitlich vorzuziehen und stehen für uns im Mittelpunkt der EU-Politik.
- Einführung einer Gesamtkonzernbesteuerung samt Mindestgewinnsteuersatz auf europäischer Ebene (BEPS-Prozess im Rahmen der OECD – Trockenlegen von Steuersümpfen), um Steuervermeidungsbemühungen großer Konzerne und Vermögender zu begegnen. Die Debatte um die Finanztransaktionssteuer sollte vor dem Hintergrund der Krise neu geführt werden.
- Eine goldene Investitionsregel, die die Kreditaufnahme für öffentliche Nettoinvestitionen ermöglicht, soll im Rahmen reformierter Fiskalregeln verankert werden.
- Die Europäische Union muss neu gedacht werden. Für eine solidarische europäische Politik muss der soziale Gedanken im Vordergrund stehen. Die Transformation der Wirtschaftsunion EU muss in Richtung Sozialunion erfolgen.
Krise gerecht finanzieren
Die COVID-19-Pandemie wird auch in Österreich Budgetdefizit und Staatsschulden drastisch er- höhen. Das WIFO rechnet in einem sehr optimistischen Szenario für 2020 mit einem Budgetdefizit von 22 Mrd. Euro (5,5 % des BIP). Zudem werden die budgetären Effekte der Krise längerfristig wirken. Es wäre gefährlich, bereits 2021 wieder ein „Nulldefizit“ als Ziel der Budgetpolitik zu definieren. Das wichtigste Ziel der Budgetpolitik muss es bleiben, die Folgen der Krise etwa im Gesundheitssystem oder auf dem Arbeitsmarkt zu beseitigen und den Wohlstand der Bevölkerung zu sichern und zu erhöhen. Mittelfristig wird der Staatshaushalt wesentlich dadurch begünstigt, dass die Zinskosten des markanten Anstiegs der Staatsschulden bei null liegen. Trotz der rückläufigen Zinsausgaben im Staatshaushalt werden die budgetären Kosten der COVID-19-Pandemie jedoch erheblich sein und lange nachwirken.
Unser Plan:
- Kein Spielraum für Steuergeschenke an die oberen 100.000: keine Senkung des Satzes der Körperschaftssteuer, keine neuen KESt-Befreiungen, keine Ausweitung des Gewinnfreibetrages u.a. Auch ungerechtfertigte Begünstigungen für die Landwirtschaft (z.B. Gewinnglättung, Aus- gleich sinkender EU-Agrar-Budgets usw.) sind nicht leistbar und waren bereits in „normalen“ Zeiten volkswirtschaftlich nicht sinnvoll.
- MillionärInnen und MilliardärInnen zur Finanzierung der Kosten der Krise verpflichten: – Solidarabgabe in Höhe von 2 % pro Jahr für Vermögen über 10 Mio. Euro, 3 % für
Vermögen über 100 Mio. und 4 % für Vermögen über 1 Mrd.: Das trifft nur das oberste 1 % der Haushalte und bringt zusätzliche Mittel von 7 Mrd. pro Jahr. – Anhebung der KESt auf Dividenden von 35 %; bringt ca. 600 Mio. Euro
- Schieflage im Steuersystem nachhaltig ausgleichen: Gleichzeitig ist es aber notwendig, die Abgabenstruktur nachhaltig umzubauen, indem Arbeitseinkommen weniger, Vermögen und Konzerngewinne hingegen nachhaltig stärker besteuert werden.
- Ökologisierung im Steuersystem nicht zur Krisenfinanzierung heranziehen: Werden erste Ökologisierungsschritte im Steuersystem wie z.B. im Bereich von Pendlerpauschale, Normverbrauchsabgabe oder Dieselpreis gesetzt, so sind echte Rückvergütungsmaßnahmen not- wendig, die deren verteilungspolitisch negative Effekte korrigieren, insbesondere auch für die ArbeitnehmerInnen.