AK Präsident Erwin Zangerl: „Wir freuen uns gemeinsam mit der betroffenen Familie über die positiven Gerichtsurteile. Aber so weit hätte es gar nie kommen dürfen. Gerade der Tiroler Bodenfonds sollte sich seiner besonderen Verantwortung bewusst sein und bei entstehenden Problemen rasch und vor allem außergerichtlich für eine positive Lösung für die Betroffenen sorgen. Dass der Tiroler Bodenfonds, der ja eigentlich für „leistbares Wohnen“ zuständig ist, die hohen Zusatzkosten für eine notwendige Bodensanierung einfach auf eine junge Familie abwälzen wollte, die an dieser Situation völlig schuldlos war, ist nicht in Ordnung. Ebenso unverständlich ist, dass überhaupt geklagt werden musste und noch weniger, dass gegen das Urteil erster Instanz auch noch berufen wurde, damit das Verfahren weiter unnötig in die Länge gezogen und weitere Verfahrenskosten produziert wurden. Das erfreuliche Urteil ist jetzt rasch umzusetzen und die Angelegenheit im Sinne der betroffenen Familie umgehend zu beenden.“
Hintergrund: Mit dem Tiroler Bodenfonds bietet das Land Tirol den Gemeinden ein Instrument, um Baugrundstücke zu günstigen Preisen auf den Markt zu bringen und damit leistbares Bauen und Wohnen zu ermöglichen. Diese Möglichkeit nutzte auch eine Familie aus dem Bezirk Schwaz, um das seit Langem erträumte Eigenheim verwirklichen zu können. Probleme bei der Bodenbeschaffenheit des vom Bodenfonds erworbenen Baugrundstückes führten dazu, dass die betroffene Familie mit daraus resultierenden Zusatzkosten in Höhe von 15.000 Euro konfrontiert war. Es kam auch zu einer Bauverzögerung, wodurch zusätzliche Mietkosten entstanden sind. All diese Kosten sollte die junge Familie aber selbst bezahlen. Denn der Tiroler Bodenfonds weigerte sich, dafür aufzukommen. Da keine außergerichtliche Lösung erzielt werden konnte, musste ein langwieriges Gerichtsverfahren geführt werden. In diesem Rechtsstreit, bei dem die Familie von der AK Tirol unterstützt wird, hatte bereits das Landesgericht Innsbruck in erster Instanz der AK Tirol Recht gegeben. Da der Tiroler Bodenfonds gegen das Urteil berufen hat, ging das Verfahren in die nächste Runde, dies mit einem nunmehr sehr erfreulichen Ergebnis: Auch das Oberlandesgericht Innsbruck hat den Tiroler Bodenfonds in zweiter Instanz zur Bezahlung von Schadenersatz und der gesamten Prozesskosten verurteilt.
Details zum Fall: Im Jahre 2014 wurde ein Kaufvertrag für ein Baugrundstück mit dem Tiroler Bodenfonds abgeschlossen. Beim Baugrundstück („grüne Wiese“) gab es für die Familie hinsichtlich der Bodenverhältnisse keinen Anhaltspunkt, etwas anderes als einen „natürlich gewachsenen Boden“ zu erwarten, auf dem problemlos ein Haus errichtet werden kann. Nach Erteilung der Baubewilligung wurde die Errichtung des Einfamilienhauses in Angriff genommen und die Erdarbeiten zur Herstellung des Fundierungsniveaus für das Fundament des Hauses durchgeführt. Beim Aushub kam jedoch plötzlich statt eines (natürlich) gewachsenen Bodens „Schüttmaterial“ zum Vorschein. Unter der Humusschicht war Aufschüttmaterial locker bis sehr locker gelagert, daher musste bis zur weiteren Abklärung der Situation vorerst sogar ein Baustopp erfolgen. Aufgrund des am Grundstück vorgefundenen Schüttmaterials waren nunmehr zusätzliche Fundierungsmaßnahmen erforderlich. Es musste eine Bodenverbesserung bzw. ein Bodenaustausch vor Herstellung der eigentlichen Fundierung des Hauses erfolgen, um unzulässige Setzungen zu vermeiden bzw. für einen ausreichend tragfähigen Untergrund zu sorgen.
Der Tiroler Bodenfonds verweigerte jedoch die Kostenübernahme. Die junge Familie sollte die Zusatzkosten selbst bezahlen. Sie war nunmehr auch an ihre wirtschaftliche Belastungsgrenze gelangt und wandte sich hilfesuchend an die AK Tirol. Die AK Experten prüften den Fall und verlangten vom Tiroler Bodenfonds – vorerst außergerichtlich – die Übernahme der anfallenden, zusätzlich entstandenen Kosten, die für die erforderlichen zusätzlichen Maßnahmen aufgrund der mangelhaften Bodenbeschaffenheit notwendig waren. Der Tiroler Bodenfonds blieb jedoch bei seiner ablehnenden Haltung und verweigerte die geforderte Kostenübernahme. Die AK Tirol gewährte der Familie daher freiwilligen Rechtsschutz für eine Klage. Ohne diese Unterstützung hätte sich die junge Familie aufgrund des hohen Prozesskostenrisikos auf ein gerichtliches Verfahren nie einlassen können.
Zangerl: „Daran zeigt sich wieder einmal, dass es für die Bürger immer schwerer wird, zu ihrem Recht zu kommen, wenn sie nicht auf eine gesetzliche Interessenvertretung wie die AK Tirol zurückgreifen könnten. Ein verhältnismäßig kleiner Solidarbeitrag für den Einzelnen – im Schnitt 7 Euro pro Monat – ermöglicht im Falle eines Falles einen starken Rechtsschutz.“
Nunmehr hat auch das OLG Innsbruck in zweiter Instanz die Rechtsansicht der AK Tirol bestätigt: Der Tiroler Bodenfonds muss Schadenersatz in Höhe von 16.800 Euro zuzüglich Zinsen und die gesamten Prozesskosten bezahlen.
Das OLG Innsbruck stellte in seinem Urteil unter anderem fest, dass der Bodenfonds vor dem Verkauf des Grundstückes davon Kenntnis hatte, dass im Bereich des Grundstückes der Käufer „Massenverschiebungen“ vorgenommen wurden und daher dem Bodenfonds vor Verkauf der tatsächliche Zustand des Untergrunds bekannt war. Ohne Hinweis auf diese besondere (problematische) Bodenbeschaffenheit konnten die Käufer somit davon ausgehen, dass die Liegenschaft einen natürlich gewachsenen Grund/Boden aufweist. Wäre insgesamt ausschließlich gewachsener Boden vorgelegen, so wären auch keinerlei zusätzliche Fundamentierungskosten angefallen. Da die Liegenschaft diese Eigenschaft (natürlich gewachsener Boden) jedoch nicht aufwies, liegt eine Vertragswidrigkeit vor. Obwohl der Tiroler Bodenfonds zeitlich vor dem Verkauf des Grundstückes Kenntnis davon hatte, dass im Bereich des Grundstücks der Käufer Massenverschiebungen vorgenommen worden waren, setzte er die betroffene Familie darüber nicht in Kenntnis, sodass die Käufer – aus dem Titel des Schadenersatzes – Anspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten sowie der darüber hinausgehenden Nachteile haben. Auch der vom Bodenfonds im Verfahren ins Treffen geführte „vertragliche Haftungsverzicht“ wurde vom OLG Innsbruck verworfen und in diesem Zusammenhang unter anderem festgestellt, dass grundsätzlich von grober Fahrlässigkeit (auffallender Sorglosigkeit) auszugehen ist, wenn wissentlich nicht darauf hingewiesen wird, dass der Untergrund zur Errichtung des Wohnhauses nicht geeignet ist, sondern (zuerst) zusätzliche Fundamentierungsarbeiten durchzuführen sind.